Schularchitektur im Wandel: Gymnasium Langenhagen
Schularchitektur im Wandel: Gymnasium Langenhagen
Vom Cluster-Konzept bis zur nachhaltigen Bauweise – Ein Gespräch mit Prof. Gernot Schulz und dem Team von gernot schulz:architekten, Köln über zukunftsfähige Schulbauten und die Herausforderungen moderner Bildungsarchitektur.
Das Schulgebäude in Langenhagen besticht durch eine klare, funktionale Struktur und eine spezielle Nutzung von Raum und Materialien. Sofort ins Auge fallen die außen liegenden Wandelgänge am Gebäude. Welche Funktion haben sie und welchem Modell zur räumlichen Organisation entspricht das Gymnasium in Langenhagen? Ist es additiv, teilintegriert, integriert, Klassenraum plus, Cluster oder offene Lernlandschaft?
Die Jahrgangsstufen des Gymnasiums in Langenhagen sind als Cluster organisiert. Das bedeutet, jede Jahrgangsstufe bildet eine Lerngemeinschaft, deren Mitglieder sich in ihrem Cluster ungestört aufhalten, lernen und entspannen können. Innerhalb des Clusters gibt es neutrale quadratische Unterrichtsräume sowie eine natürlich belichtete Mittelzone für Bewegung und Präsentationen. Es gibt Nischen zum Lesen, Chillen oder für die Einzelarbeit, außerdem einen Computer-Recherche-Bereich mit Bibliothek. Die Lehrkräfte sind in einer Teamstation, die zum Cluster gehört, während der gesamten Schulzeit ansprechbar. Jedes Cluster verfügt über eigene Sanitäranlagen und Unterrichtsmaterialien, was ein starkes Zugehörigkeitsgefühl zur Lerngemeinschaft schafft.
Die außen liegenden Wandelgänge erfüllen mehrere Funktionen: Sie erweitern die Lernbereiche nach draußen, da jeder Unterrichtsraum durch eine große Schiebetür geöffnet werden kann. Sie wird der vorge-lagerten Balkon mit einbezogen. Zudem entfällt durch die Wandelgänge der Bedarf an außen liegenden Sonnenschutzvorrichtungen, was die Instandhaltung erleichtert. Nicht zuletzt ermöglichen sie kurze Wege zwischen den Lernhäusern und erleichtern den Zugang zum Schulhof auf dem Dach des Erdgeschosses.
Wie war die Aufgabenstellung der Bauherrschaft, und wie sind Sie mit der Schulfamilie ins Gespräch gekommen? Welche Bedarfe und Wünsche wurden in der Planungsphase an Sie herangetragen?
In diesem Fall gab es keine Phase 0 für den Schulneubau. Die Schulgemeinschaft hatte jedoch im Vorfeld intensiv an der Entwicklung ihrer Schule gearbeitet und ein pädagogisches Konzept formuliert, aus dem die Raumbedarfe abgeleitet wurden. Unser Prinzip ist es immer, frühzeitig mit der Schulgemeinschaft in den Dialog zu treten – in diesem Fall direkt nach dem Wettbewerbsgewinn. Diese Gespräche haben zu wichtigen Umplanungen geführt, wie etwa der Verlegung des Eingangshofs, um einen ruhigen, nicht zur Straße offenen Bereich zu schaffen. Solche Umplanungen optimieren die Nutzung und Abläufe im Schulgebäude.
Was waren Ihre Hauptziele und Inspirationsquellen für das Gebäude des Gymnasiums in Langenhagen, insbesondere in einer Zeit des Wandels und der Unsicherheit von 2018 bis 2022?
Seit den frühen 2010er Jahren beschäftigen wir uns intensiv mit dem Wandel im Schulbau, dem nachhaltigen Bauen und nutzungsneutralen Bautypologien. Der Wandel im Schulbau ist revolutionär: Ältere Flurschultypen sind für zeitgemäße Bildungs- und Unterrichtsformen nicht mehr geeignet. Heute muss Bildung individuell fördern und das Selbstvertrauen der Lernenden stärken. Ein weiterer zentraler Aspekt war die Nachhaltigkeit. Für das Gebäude in Langenhagen haben wir einen hohen Anteil an Holzbau eingesetzt, was zur Reduzierung des CO2-Fußabdrucks beiträgt und gleichzeitig eine flexible Nutzung in der Zukunft ermöglicht.
Wie können Schulen angesichts der technologischen und gesellschaftlichen Herausforderungen der nächsten Jahrzehnte gestaltet werden, um flexibel auf zukünftige Anforderungen zu reagieren?
Die Verantwortung von Architekten und Bauherren liegt in der Schaffung nutzungsoffener Grundrisse und in einem minimalen Ressourcenverbrauch. Unser Ansatz ist es, multifunktionale Räume zu entwickeln, die langfristig flexibel genutzt werden können.
In Weimar bauen wir gerade eine Schule, bei der die Mensa auch als Musikbereich genutzt wird und der naturwissenschaftliche Bereich ein frei zugängliches Schülerlabor ist. Diese Synergien reduzieren den Flächenbedarf und fördern eine nachhaltige Nutzung der Schulgebäude.
Sie betonen oft, dass Räume, die Menschen berühren und erfreuen, wichtig sind. Warum ist diese Haltung im Schulbau relevant?
Der italienische Pädagoge Loris Malaguzzi sprach von der Architektur als dem „dritten Pädagogen“. Neben den Mitschülern und den Lehrkräften spielt der Raum eine entscheidende Rolle für die Lust am Lernen. Räume, die funktional sind, viel Kommunikation ermöglichen und ästhetisch ansprechend sind, werden von den Nutzern wertgeschätzt. Dies fördert nicht nur den Lernprozess, sondern auch den verantwortungsvollen Umgang mit der Umgebung.
Warum haben Sie sich für FLÖTOTTO als Ausstattungspartner entschieden?
Viele der benötigten Möbel für die funktionsneutralen Räume waren bei klassischen Schulmöbelherstellern nicht erhältlich.
FLÖTOTTO ist ein idealer Partner, da das Unternehmen seit Jahrzehnten innovative Baukastensysteme aus nachhaltigen Rohstoffen entwickelt. Ihre Möbel passen perfekt zu unserem Konzept der Nutzungsoffenheit, bei dem ein Stuhl auch als Tisch dienen kann und Regale zur Liegefläche werden.
Wohin wird sich der Schulbau zukünftig entwickeln, und wie können sich Schulgebäude auch für die Nachbarschaft öffnen?
Der Schulbau der Zukunft wird sich in Richtung multifunktionaler, nutzungsoffener Räume bewegen, die auch von der Nachbarschaft genutzt werden können. In Köln haben wir mit der Bildungslandschaft Altstadt Nord (BAN) bereits ein Projekt realisiert, bei dem Schulräume für außerschulische Aktivitäten geöffnet werden. Langfristig müssen wir uns auch mit Konzepten der Kreislaufwirtschaft beschäftigen, um die Umweltauswirkungen des Bauens zu minimieren.
Die Frage, die wir uns stellen sollten
Die entscheidende Frage ist, welchen Wert wir als Gesellschaft der Bildungsarchitektur beimessen. Investieren wir genug in Bildung und ihre Gebäude, oder überlassen wir sie gewinnorientierten Investoren? Hier ist ein gesellschaftlicher Konsens erforderlich, um die Qualität und Zukunftsfähigkeit unserer Schulen sicherzustellen.